Rüdiger Plantiko

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Wie sind die IS-Terrorangriffe einzuschätzen?

Als erstes müssen wir feststellen, dass es keine gewieften Militärstrategen sind, die sich da zu unseren Feinden erklären. Es sind Leute, die ein Buch lesen, den Koran, in die islamische Geisteswelt eintauchen, in die sunnitische Islamauslegung und Praxis der letzten 1400 Jahre - und dann Terroroperationen vornehmen, die im Geist des Islam sakrale Handlungen darstellen: im Koran gibt es "keine höhere und reinere Form des Dschihad als das Töten von Ungläubigen", sagt die türkische Ex-Muslimin Isik Abla. Dieses Morden habe daher einen reinigenden, rituellen, ja sakralen Charakter. Ihr Handeln ist somit kultisch-rituell motiviert. Sie haben keine ausgeklügelten Hintergedanken, sondern sie töten, weil Allah es befiehlt.

Zweitens: mit rein militärischen Augen gesehen, sind ihre Angriffe - ähnlich den Operationen von Partisanenkommandos - bestenfalls Nadelstiche; mit dieser Feststellung hat der linksgrüne Constantin Seibt ja recht ("Seit dem World-Trade-Center-Attentat 2001 ermordeten islamistische Attentäter in Westeuropa und den USA etwa 450 Menschen. So grausam jeder dieser Morde ist, es gibt Gefährlicheres. Allein in Deutschland ersticken pro Jahr über 1000 Leute an verschluckten Fremdkörpern"), für ihn ist dieses Faktum aber nur nötig, um es in den Kontext seines Hasses auf das Abendland stellen zu können, indem er resümiert: "Die Verteidiger des Abendlandes sind heikler als die Terroristen."

Die IS-Kämpfer treffen keine lebenswichtige Infrastruktur, die zum Herzen unserer Gesellschaft gehört (allerdings natürlich nicht aus etwaigen ethischen Gründen, sondern nur weil sie dazu nicht in der Lage sind). Sowieso wird nicht unsere Armee angegriffen, sondern die Gesellschaft, die als Kollektiv von Ungläubigen angesehen wird, die in einer verfaulten, verrotteten Lebensweise gefangen seien und kein moralisches Gesetz in ihren Herzen hätten.

Der Schaden entsteht allein durch die Einschüchterungswirkung, also auf der psychologischen Ebene. Es wirkt - bei allen zu beklagenden Toten - als psychologische Kriegsführung. Und dies ist auch gemäß Koran die beabsichtigte Wirkung: "Wir [pluralis maiestatis von Allah] werden Terror in die Herzen der Ungläubigen werfen" (Sure 3:151).

Die psychologischen Effekte von Gewalt

Die Sache ist nicht so einfach, wie sich das viele vorstellen: durch den Terror würde doch nur der Hass auf sie und ihre Ziele verstärkt.

Stimmt nicht. Gewalt hat eine stärkere Wirkung, vor allem, wenn sie zur permanenten conditio unseres Lebens gemacht wird und es schier unmöglich wird, sie auszurotten, weil immer neue Anhänger rekrutiert werden.

Es gibt eine ganze Reihe von psychologischen Effekten von Gewalt:

  • Gewalt wirkt einschüchternd, macht nachgiebig, gibt der Stimme dessen, der sie ausübt, mehr Gewicht. Man ist zum Beispiel nicht mehr so schnell bereit, das, was der Gewalttäter sagt, lächerlich zu finden und zu verspotten. Man hält sich überhaupt mit Kritik zurück.
    Jeder kennt das mittlerweile: im Gespräch mit den Mitmenschen ist alles rund um den Islam zum peinlichen Thema geworden, es wirkt irgendwie unanständig oder unangemessen, darüber überhaupt noch zu sprechen. Über Anschläge wird zwar medial (nach bestimmten ritualisierten Codices) noch ausführlich berichtet, aber im Gespräch werden sie oft beinahe krampfhaft gemieden.
  • Ein bekannter psychologischer Effekt, das sogenannte Stockholm-Syndrom, macht Menschen zu Parteigängern von Gewalttätern, wenn sie sich längere Zeit in deren Gewalt befinden. Nach einiger Zeit werden die Menschen mürbe, beginnen, die Argumente des Täters zu verstehen, sich in ihn einzuleben, sich mit ihm zu identifizieren. Es ist genau dieser Effekt, den sich der Islam bei seiner Ausbreitung mit großem Erfolg zunutze gemacht hat (der permanente Druck durch Diskriminierung, den sie auf den Dhimmi legt, führt dem Islam immer mehr Anhänger zu).
  • Auf junge Männer wirkt Gewalt attraktiv und faszinierend, denn ein Mann, der Gewalt ausübt, zeigt, daß er über Kräfte verfügt, daß er nicht zahnlos ist, daß er entschlossen ist, daß er zum äußersten zu kämpfen bereit ist (und hier ist natürlich der Selbstmordattentäter, der sogar sein Leben für seine Überzeugung in die Waagschale wirft, die imponierendste Figur). Das sind alles Themen, die zur Domäne der Männlichkeit gehören. Letztlich ist das biologisch angelegt: ein Mann, der zeigt, daß er bereit ist, Gewalt einzusetzen, wird auch die Seinen - seinen Stamm, seine Leute - mit Entschlossenheit gegen alle Angriffe verteidigen.
  • Unter Frauen ist das Serial Killer Groupie-Syndrom ein bekannter psychologischer Effekt. Ebenfalls biologisch verankert ("dieser Mann wird mich und meine Nachkommen gut zu beschützen wissen, ich will ein Kind von ihm").

Die zugrundeliegenden Ideen

Taten liegen Ideen zugrunde. Die Ideen sind das Primäre. Der Islam enthält die zugrundeliegenden Ideen, aus denen der Terror legitimiert und abgeleitet wird. Besser und wirksamer als die Taten zu bekämpfen (mit mehr Sicherheit, Polizei, Zensur) ist es, ihn auf Ebene der Ideen zu bekämpfen. Der Islam ist kein besonders kompliziertes Gedankengebäude, er ist ein grober Klotz auf einen groben Keil, eine einfach gebaute Häresie, eine Abirrung von im Kern wahren Ideen. Er bekommt Raum in unserer Gesellschaft, je weniger wir selbst uns an der Wahrheit orientieren, je mehr wir uns in den Relativismus verstricken, der den in uns gelegten Sinn für das Wahre und das Gute verdunkelt. Der Islam dringt in die Räume vor, die wir selbst nicht mehr beleben und ihm überlassen.

Wenn wir die Ideen verstehen wollen (sie sind nicht schwer zu verstehen), die einen Selbstmordattentäter zu seiner Mordtat bewegen, können wir uns beim IS selbst informieren. Die letzte Ausgabe (Nr. 15) des IS-Magazins Dabiq vom Shawwal 1437 (Juli 2016) war besonders gegen das Christentum gerichtet. Sie hatte das Titelthema "Break the Cross" und enthielt den programmatischen Artikel "Why we hate you & why we fight you". Mittlerweile wurde "Dabiq" durch eine neue Serie "Rumiyah" ersetzt, deren letzte Ausgabe kurz vor Beginn des Ramadan 2017 erschien. Das Clarion Project hat sich dankenswerterweise die Mühe gemacht, all dieses IS-Propagandamaterial zu dokumentieren, auch die Rumiyah-Ausgaben können dort als PDF heruntergeladen werden.

Der Artikel in Dabiq führt sechs Gründe aus, "warum wir euch hassen und bekämpfen":

  1. Wegen eures Unglaubens (an die Christen): eurer Zurückweisung des einen Allah, eurer Weigerung, Allah, dem Allerhöchsten, allein Anbetung zu zollen. Ihr gesellt ihm einen Sohn bei und praktiziert teuflische, heidnische Rituale.
  2. Wegen eures Säkularismus und Liberalismus. Ihr trennt Staat und Religion, damit ihr im von der Religion befreiten Raum euren Lüsten frönen könnt: der Trunksucht, dem Ehebruch, der zügellosen geschlechtlichen Geilheit bis hin zur Homosexualität, dem Wuchern mit Zinsen. Wir bekämpfen euch und eure verlogenen "liberalen Werte", euren Säkularismus, euren Nationalismus, euer Christentum und euren Atheismus, und all die Korruption und Verdorbenheit, die das mit sich bringt.
  3. Was den "Atheistensaum" betrifft (sie gehen richtig davon aus, daß 95% der Weltbevölkerung in der einen oder anderen Form von einer höheren, göttlichen Wirklichkeit überzeugt sind, der Atheismus also nur eine Randposition darstellt): wir hassen und bekämpfen euch, weil ihr die Existenz des Herrn und Schöpfers verleugnet. Ihr seht die erstaunliche Komplexität des Universums und glaubt, das wäre alles zufällig und von selbst entstanden. Weil ihr dieses Leben als das einzige anseht, glaubt ihr auch nicht an das Jüngste Gericht und an die Auferstehung.
  4. Wir hassen euch wegen eures Krieges, den ihr gegen uns führt: indem ihr unseren Glauben verspottet, indem ihr mit euren Lügen die Propheten Allahs beleidigt, indem ihr den Koran verbrennt und das göttliche Gesetz der Scharia schlecht macht, werden wir weiter vergelten: nicht mit Transparenten und Slogans, sondern mit Kugeln und Messern.
  5. Wir hassen euch wegen eurer Verbrechen gegen Moslems: eure Drohnen und Flieger töten und verletzen unser Volk überall auf der Welt, und eure Marionetten in den besetzten Ländern unterdrücken, foltern und bekriegen jeden, der nach der Wahrheit ruft. Daher bekämpfen wir euch, um euch davon abzuhalten, unsere Männer, Frauen und Kinder zu töten, um die zu befreien, die ihr einsperrt und foltert, und um Rache zu nehmen für die zahllosen Moslems, die durch eure Hand leiden mußten.
  6. Wir hassen euch, weil ihr in unsere Länder eindringt, und wir werden euch bekämpfen, um euch wieder hinauszuwerfen. Dieser Grund ist allerdings zweitrangig, daher steht er am Ende dieser Liste. Selbst wenn ihr aufhören würdet uns zu bombardieren, uns einzusperren, uns zu foltern, uns zu verunglimpfen, werden wir nicht aufhören, euch zu bekämpfen, bis ihr den Islam annehmt. Selbst wenn ihr (als Dhimmis) erniedrigt unter islamischer Herrschaft leben und die Dschisia (Sondersteuer für Christen und Juden im Islam) bezahlen würdet, würden wir euch zwar nicht mehr bekämpfen, aber nicht aufhören, euch zu hassen.
Besonders wichtig zu verstehen ist, daß wir euch nicht vor allem deshalb bekämpfen, weil wir euch bestrafen und abschrecken wollen, sondern weil wir euch die wahre Freiheit in diesem Leben bringen wollen, und die Rettung im Jenseits: Freiheit von der Knechtschaft der Lüste und Begierden, aber auch von der Knechtschaft unter eurem Klerus und euren Parlamenten, und die Erlösung, indem ihr euren Schöpfer allein anbetet und seinem Propheten nachfolgt. Wir bekämpfen euch, weil wir euch aus der Finsternis des Unglaubens in das Licht des Islam führen wollen, weil wir euch befreien wollen von dem Zwang, nur für das Diesseits allein zu leben, so daß ihr die Segnungen des irdischen ebenso wie die des jenseitigen Lebens genießen könnt. Der Kernpunkt der Sache ist, daß all unser Terror, unser Krieg, unsere Schonungslosigkeit und unsere Härte einen Sinn hat.

Wie weiter?

Wie wird es weitergehen? Der Spuk wird erst aufhören, wenn wir uns wieder für unser eigenes Volk, unseren eigenen Menschenschlag und unseren eigenen Glauben einsetzen. Das ist nicht so sehr eine staatliche, politische Frage (der Staat verfällt häufig auf Scheinlösungen, um sich in dem Gefühl zu wiegen, er habe etwas gemacht - Scheinlösungen, die die Sache oft noch verschlimmern: Verbote, die in ihrer erhabenen Neutralität Christen ebenso wie Muslimen schaden, oder: alle Gehwege mit Betonpollern absichern, mehr Sicherheit, mehr Polizei, das Internet auf staatsfeindliche Propaganda überwachen, mehr Kriege im Nahen Osten, mißliebige Regierungschefs aus ihrem Amt bomben usw.), es ist vielmehr eine Frage des persönlichen Bekenntnisses, des Lebensernstes, der eigenen Lebenspraxis und Gedankenhygiene (nicht zuletzt um der Nachkommen willen dem ganzen Selbsthaß keine Nahrung mehr geben – weder im eigenen Denken noch im Gespräch mit anderen).

Der Säkularismus und Liberalismus, so nützlich er unseren Gesellschaften im Miteinander auch sein mag, kann dem ideologischen Angriff des Islam nichts Ernsthaftes entgegensetzen. Unsere Verfassung, die Grundrechte usw. sind etwas, was eine Gesellschaft sich leistet - sie haben selbst keine erhaltende, lebenspendende oder gegen Angriffe schützende Kraft, sondern werden selbst auf einer tieferen Ebene genährt und erhalten: durch - frei nach Böckenförde - die moralische Substanz des einzelnen und die (relative) Homogenität der Gesellschaft.

Die säkulare Islamkritik hat zwar durchaus ernstzunehmende Punkte, aber sie bleibt zu sehr an der Oberfläche. Die Grundfrage, zu der der Islam herausfordert, lautet: Wofür bist du bereit zu kämpfen? Was ist dein Höchstes? Dein Heiligstes? Wir wollen es von Dir wissen! Wenn Du es nicht sagst, Dich hinter Relativismus verschanzest, wenn Dir diese Fragen zu hoch sind und Du gelangweilt mit den Schultern zuckst und Dich wieder Deinen Zerstreuungen und Lüstchen widmest, dann beglücken wir Dich eben mit unserem Höchsten! - hier hat der Säkularismus per constructionem nur einen leeren Raum zu bieten, er bleibt hilflos und stellt letztlich - wenn man ihn als Weltanschauung versteht - ebenso eine Abirrung dar wie der Islam. Er drückt sich um die großen Fragen.

"Religöser Fundamentalismus" - die falsche Abstraktion

Der Säkularismus hat uns die dumme Abstraktion des religiösen Fundamentalismus beschert, den er als das eigentliche Problem verorten will.

Wenn Anhänger einer bestimmten Religion die Anweisungen eines bestimmten Glaubensbuches umsetzen und z.B. Ungläubige töten, wo immer sie sie treffen, wie es diese Religion nach übereinstimmendem Urteil ihrer vier grossen Rechtsschulen verlangt, tauschen Linke und Aufklärer kumpelhafte Blicke aus und sagen: “Schlimm, was die Religionen anrichten.”

Wenn man ihnen mit diesem bestimmten Glaubensbuch, dem Koran, kommt und auf diese bestimmte Religion, den Islam, hinweist, in deren Namen die Ungläubigen getötet werden sollen, wenn sie den Islam nicht annehmen, halten sie sich die Ohren zu und schreien “Das will ich gar nicht genau hören! Hör auf damit! Sprich mir nach: SCHLIMM, WAS DIE RELIGIONEN ANRICHTEN!”

Es ist also eine dogmatische Weigerung, genau hinzusehen.

Es würde nämlich eine tiefsitzende Verblendung erschüttert, wenn man genau hinsähe.

Allenfalls meldet sich eine Bekannte zu Wort, die in einer WG mit einem netten Moslem zusammenlebt und sagt: “Nein, das darfst Du so nicht sagen: Du mußt sagen: schlimm, was der religiöse Fundamentalismus anrichtet.” Allgemeines Kopfnicken. Man ist sich einig. Und so steht es dann überall: Schlimm, was der religiöse Fundamentalismus anrichtet.

Laßt uns also alle zusammen auf den religiösen Fundamentalismus eindreschen! Laßt uns Kommuniqués und Pressemitteilungen zum Kampf gegen diesen Feind der Menschheit veröffentlichen! Laßt uns demonstrieren und protestieren gegen den religiösen Fundamentalismus! Laßt uns am Bataclan, alle fortschrittlichen und säkularen Kräfte gemeinsam, zu den Säuselklängen von John Lennons Imagine von einer besseren Welt träumen, einer Welt ohne den "religiösen Fundamentalismus".

Aber was ist eigentlich Fundamentalismus?

So wie es gemeint ist, bedeutet Fundamentalismus schließlich nur, daß man eine religiöse Lehre ernst nimmt. Kompromißlos ernst, so daß kein Widerspruch geduldet wird. So ernst wie Du zum Beispiel den Satz nimmst “Nicht die Lehren einer bestimmten Religion, sondern der religiöse Fundamentalismus an sich ist die Erklärung für die schlimmen Dinge wie Selbstmordattentate, Genitalverstümmlungen, Tötung von Homosexuellen und vom Glauben Abgefallenen usw., über die wir in der Presse lesen müssen.”

Man abstrahiert also vollständig von der konkreten Lehre, dem Inhalt, dem ideellen Grund für diese Handlungen, und definiert das Problem als ein reines Haltungsproblem. Denn die Konsequenzen, wenn man genau hinschaut und die konkrete Lehre in Augenschein nimmt, könnten peinlich werden. Man könnte dem netten WG-Mitbewohner auf den Schlips treten.

Aber es sollte offensichtlich sein: wenn ein Buddhist die Lehre Buddhas ernst nimmt, kommt etwas anderes heraus als wenn ein Mohammedaner die Lehren Mohammeds ernst nimmt. Ein fundamentalistischer Buddhist würde vielleicht radikale Askese üben, sich in die Berge zurückziehen, 24/7 meditieren, aber er würde niemals auf die Idee kommen, sich auf einem belebten Markt, auf dem sich viele Nichtbuddhisten aufhalten, mit einem Sprengstoffgürtel in die Luft zu jagen.

Das Dogma, der religiöse Fundamentalismus an sich sei das Problem, ist, wie dieses Beispiel allein schon zeigt, nicht haltbar. Die kritisierte Haltung des “Fundamentalismus” ist schließlich nur: etwas für wahr zu halten. Das ist der Kern des Problems: der Relativismus - die Weigerung, irgendetwas für allgemeingültig wahr zu halten, außer der einen allgemeingültigen Wahrheit, daß es keine allgemeingültige Wahrheit gebe. Ein abzulehnender Selbstwiderspruch.

Essentielle und akzidentelle Islamkritik

Die säkulare, gottlose Islamkritik beschränkt sich auf Dinge, die von einer religiösen Sicht her gerade nicht die wesentliche Kritik am Islam darstellen. Einige Beispiele:

  • Beschneidungsriten, wobei man sich, um die Juden nicht zu verprellen, auf die Kritik an der Beschneidung von Mädchen beschränkt. Um ein Maximum der - an sich natürlich berechtigten - Anklage hineinzupacken, spricht man auch nicht von Beschneidung, sondern von Genitalverstümmelung.
  • Durch Anprangern der sogenannten “Zwangsverheiratungen” hofft man besonders die engagierten Feministinnen für die Sache der Islamkritik zu gewinnen - was durchaus erfolgreich sein kann.
    Man vergißt nur, daß arrangierte Ehen (um ein weniger wertendes Wort zu verwenden) bis vor wenigen Generationen auch in Europa gang und gäbe waren. Sie waren Ausdruck eines stärkeren Familienzusammenhalts: bevor das romantische Ideal der Liebesheirat seinen Siegeszug hielt, war eine Ehe eine Unternehmung nicht nur der Ehepartner, sondern der beteiligten Familien, die im Familienrat und in Liebe und Sorge um ihre Kinder erwogen, was für diese wohl die beste Partie sei. Wenn die so füreinander arrangierten Ehepartner sich dann obendrein auch noch liebten, war das eine schöne Zugabe. Man hielt aber primär aus Pflicht und Verantwortung für die eigene Familie an der Ehe fest. Die Ehe wurde als eine schicksalhafte Lebensaufgabe, als eine Prüfung gesehen, miteinander auszukommen, und im besten Fall ein bloßes Sinnbild oder Zeichen für die wahre Ehe, die Ehe der Seele mit Gott.
  • Kritik an der Praxis der Scharia, Homosexualität und Ehebruch, also Vergehen der sexuellen Ungeordnetheit, mit strengen körperlichen Strafen, bis hin zur Todesstrafe, zu ahnden.
    Die Art, wie die Todesstrafe in den islamischen Ländern angewendet wird, wird in all ihrer Grausamkeit dargestellt. Dabei geht ein bisschen unter, dass der wesentliche Punkt an der Todesstrafe ja nicht ist, wie, sondern daß ein Mensch vom Leben zum Tod befördert wird. Diesen Punkt läßt man aber aus der Diskussion, weil die Todesstrafe an sich auch in den USA fleißig praktiziert wird – auch in den Bevölkerungen anderer Länder würde jede Umfrage, ob man beispielsweise Kinderschänder mit dem Tode bestrafen sollte, mühelos Mehrheiten für die Todesstrafe ergeben.
  • Kritik an der religiösen Rechtspraxis der Scharia. Sie wird vor allem als Lehrstück für den Säkularismus genutzt, also die Lehre, im Staatlich-Rechtlichen habe ein moralisches Vakuum zu gelten, alle Religionen stünden ihm gleichrangig gegenüber, er selbst aber repräsentiere die Abwesenheit von aller Religion.

Obwohl in dieser Liste natürlich durchaus kritikwürdige Punkte enthalten sind, treffen sie nicht die wesentliche, die religiöse Kritik am Islam. Aus einer religiösen Sicht sind die meisten dieser Kritikpunkte Abirrungen, die nur möglich sind, weil der geistige Kern des Islam bereits tiefe Irrtümer und Verfehlungen enthält. Die schlechte Praxis resultiert aus einer irrtümlichen, fehlerhaften Anschauung von Gott und dem Menschen: ein schlechter Baum bringt schlechte Früchte.

Als Christen führen wir einen Kampf gegen zwei Häresien - nicht nur gegen den Islam, sondern auch gegen den Modernismus. In gewisser Weise ist die Aufklärung (wenn diese nicht bloß als Ermutigung, sich seines Verstandes zu bedienen verstanden wird, sondern als umfassende Weltanschauung, wie heute üblich) eine typische Häresie: sie nimmt gewisse Teile der christlichen Lehre, hier: die Gottebenbildlichkeit und Freiheit des Menschen, macht daraus die Menschenwürde und die Freiheit von Religion, und setzt alles in einen falschen Kontext - hier: Atheismus und Materialismus. Auf den Teilen, die sie dem Christentum entrissen hat, gründet ihre Faszination (zusammen natürlich mit der Tatsache, daß sie dem Ego so schmeichelhaft ist).

Die Ursachen für das Handeln der Menschen liegen im Geistigen, in der Welt der Ideen, die eine sehr reale Welt ist. Auf dieser Ebene gilt es den Kampf aufzunehmen.

Ziehet an den Harnisch Gottes, daß ihr bestehen könnt gegen die Listen des Teufels! Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit den Erzmächten und Gewalten, mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen: mit den bösen Geistern in den himmlischen Regionen. (Eph 6,11-12)
Veröffentlicht: Sonntag, den 4. Juni 2017