Rüdiger Plantiko

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Der Missbrauch hebt den rechten Gebrauch nicht auf - abusus non tollit usum - ist ein alter römischer Rechtsgrundsatz, der davor warnt, Verbote für etwas auszusprechen, nur weil es von diesem Etwas Missbrauch gebe.

Der Grundsatz lässt sich allgemeiner fassen: nur weil einzelne an einem moralischen Standard scheitern, ist dieser Standard nicht bereits wertlos. Die Regel wird nicht durch die Ausnahme entkräftet. Die Substanz verschwindet nicht, weil einzelne sie nicht fassen.

So ist es auch in Glaubensdingen: einzelne heucheln ganz offenkundig, missbrauchen ihren Glauben nur zu Schauzwecken, zum Beispiel für eine irrsinnige, religiös verbrämte politische Agenda, oder um einfach vor den Augen der Menschen gut dazustehen. Schon Jesus zeichnete ein deutliches Bild von den Heuchlern (Mt 23,25ff.):

Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, daß ihr das Äußere des Bechers und der Schüssel reiniget; inwendig aber sind sie voller Raub und Unmäßigkeit! Du blinder Pharisäer, reinige zuerst das Inwendige des Bechers und der Schüssel, damit auch das Äußere rein werde!

Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, daß ihr getünchten Gräbern gleichet, welche auswendig zwar schön scheinen, inwendig aber voller Totengebeine und allen Unrats sind! So erscheinet auch ihr äußerlich vor den Menschen als gerecht, inwendig aber seid ihr voller Heuchelei und Gesetzwidrigkeit.

Und dennoch invalidieren die Heuchler nicht den Glauben. Heuchelei diskreditiert nur den, der sie praktiziert, aber nicht die Glaubenssubstanz, von der er als blosser Schmarotzer zehrt.

Der Schatten des Heuchlers verdunkelt nur ihn selbst - nicht die vielen, die vom Glauben aufgerichtet und erhellt werden, die im Glauben die Richtschnur finden, um ein gutes, anständiges, ehrliches Leben zu führen.

Veröffentlicht: Mittwoch, den 1. Juni 2016