Rüdiger Plantiko

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Alexis de Tocqueville (1805-1859) zeichnete in seiner Arbeit Über die Demokratie in Amerika (1835/1840) sehr plastisch und teilweise prophetisch die kritischen Punkte der Demokratie, zum Beispiel das Problem der Tyrannei der Mehrheit. Zu den Gegenmitteln, die er beschrieb, gehört eine konsequent dezentrale Organisation der Gesellschaft, in der das Subsidiaritätsprinzip gelebt wird und lokale Gemeinschaften Vorrang vor den übergreifenden haben (in allen Belangen, die sie selbst entscheiden können, da keine übergreifende Einigung dafür nötig ist).

Worin unterscheidet sich die Tyrannei der Demokratie von der klassischen Tyrannei?

Der Machthaber sagt hier nicht mehr: "Du denkst wie ich, oder du stirbst"; er sagt: "Du hast die Freiheit, nicht zu denken wie ich; Leben, Vermögen und alles bleibt dir erhalten; aber von dem Tage an bist du ein Fremder unter uns. Du wirst dein Bürgerrecht behalten, aber es wird dir nichts mehr nützen; denn wenn du von deinen Mitbürgern gewählt werden willst, werden sie dir ihre Stimme verweigern; ja, wenn du nur ihre Achtung begehrst, werden sie so tun, als versagten sie sie dir. Du wirst weiter bei den Menschen wohnen, aber deine Rechte auf menschlichen Umgang verlieren. Wenn du dich einem unter deinesgleichen nähern willst, so wird er dich fliehen wie einen Aussätzigen; und selbst wer an deine Unschuld glaubt, wird dich verlassen, sonst meidet man auch ihn. Gehe hin in Frieden: ich lasse dir das Leben, aber es ist schlimmer als der Tod."

Alexis de Tocqueville, Über die Demokratie in Amerika, Erster Band, II. Teil, 7. Kapitel, Allmacht der Mehrheit, Reclam 2011, Nr. 8077, S. 152.

Veröffentlicht: Dienstag, den 12. August 2014